Akzept Kongress 2009: Cannabis Social Clubs – eine Chance für Deutschland?

Cannabis Social Clubs – eine Chance für Deutschland? von Georg Wurth

„Let`s grow together“, darum geht es bei den Cannabis Social Clubs (CSC). Patienten, die Hanf als Medizin benötigen, und regelmäßige Cannabiskonsumenten tun sich in einem Verein zusammen, um die Pflanzen für ihren Eigenverbrauch gemeinsam anzubauen. Und das ganz legal! In Spanien funktioniert es, in anderen Ländern kämpfen Aktivisten für dieses Modell. Ist es auch auf Deutschland übertragbar? Sind solche Anbau‐Vereine gar eine Möglichkeit, der Legalisierung einen Schritt näher zu kommen?

Cannabis Social Clubs bieten ihren Mitgliedern zunächst die gleichen Vorteile, die auch ein einzelner Selbstversorger hat: „Grower“ machen sich unabhängig vom Schwarzmarkt und sind so vor den teilweise gefährlichen Streckmitteln geschützt, die immer weitere Verbreitung finden. Über Engpässe und schwankende Qualität des Angebotes müssen sie sich keine Sorgen mehr machen. Sie können sich die Sorte aussuchen, die ihnen am besten bekommt. Sogar Bio‐Gras ist möglich. Aber nicht nur für Konsumenten ist der Eigenanbau eine tolle Sache, sondern auch für die Regierenden. Denn wer selbst anbaut, entzieht dem illegalen Schwarzmarkt Umsatz. Und da es immer heißt, man wolle nicht Konsumenten jagen, sondern Dealer zurückdrängen, sollte es Förderprogramme für Anbauzubehör geben.

Doch zurück zu den CSCs: dort tun sich also Leute zusammen, um ihren Eigenanbau gemeinsam zu organisieren. Sie mieten ein Feld, ein Gewächshaus oder sie statten einfach einen Keller mit Lampen aus und stellen für jeden eine Hanfpflanze hinein. Die Ernte wird dann unter den Mitgliedern des Vereins aufgeteilt. Welche Vorteile hat das gegenüber dem Anbau durch jeden einzelnen? Viele haben nicht das nötige Wissen, wie man brauchbare Blüten selbst produziert, ihnen fehlt der „Grüne Daumen“. Oder sie haben schlicht keine Zeit oder keine Lust, sich selbst mit dem Anbau zu befassen. Andere sind schwer krank, brauchen Cannabis als Medizin, sind aber körperlich gar nicht in der Lage, selbst anzubauen. Dafür ist ein CSC die optimale Lösung. Dort können sich Leute um die Pflanzen kümmern, die wirklich Ahnung davon haben, und die Mitglieder bekommen für ihren Mitgliedsbeitrag oder für die Erstattung der Produktionskosten stressfrei ihr Gras. Davon abgesehen kann so ein Club ein angenehmer Rahmen für soziale und hanfkulturelle Kontakte sein.

Und wieder die Sicht der Obrigkeit: CSCs sind leichter zu kontrollieren. Denn das Konzept der Clubs beinhaltet, von Anfang an mit Polizei und örtlichen Behörden zusammenzuarbeiten und die Clubs unterwerfen sich gewissen Regeln. Sie dürfen nur Volljährige aufnehmen und das produzierte Gras nicht an Dritte weitergeben, sonst verlieren sie ihren legalen Status.

Warum sollte dieses Konzept uns einer Legalisierung ein Stückchen näher bringen? Weil es in einen Graubereich vorstoßen und das Korsett der Illegalität ein wenig lockern kann. Ähnlich begann auch die Geschichte der niederländischen Coffee‐Shops. Es gab Pioniere, die „es einfach gemacht haben“ und so Fakten geschaffen haben, die die dortige Regierung dann letztlich akzeptiert hat.

Bei den Cannabis‐Clubs der USA, insbesondere in Kalifornien war es ähnlich. Als die Regierung des US‐Bundesstaates die Einnahme von Cannabis aus medizinischen Gründen zu akzeptieren begann, bildeten sich Strukturen heraus, die die Versorgung dieser Patienten möglich machten. Auch das war ein Vorstoß in einen Graubereich, es gab anfangs viele Razzien und Verhaftungen,die später nur noch durch die Bundespolizei DEA durchgeführt wurden. Mittlerweile gibt es in Kalifornien hunderte solcher Cannabis‐Verteilstellen, die seit diesem Jahr nun endlich auch von der amerikanischen Bundesregierung akzeptiert werden. Etliche tausend Menschen, die eine passende Krankheit attestiert bekommen, können nun problemlos in diesen Clubs einkaufen.

In Kanada, wo Patienten ebenfalls die Erlaubnis bekommen können, ihre eigene Hanfmedizin anzubauen, könnte es zu einer ähnlichen Entwicklung kommen. Dort war es den Betroffenen bisher schon möglich, die Pflanzen von einer dritten Person anbauen zu lassen. Dieser Grower durfte aber nur einen Patienten versorgen, weil der Staat eine Deregulierung fürchtete. Im April diesen Jahres hat das oberste kanadische Gericht aber entschieden, dass diese Regelung nicht mehr gültig ist, so dass ein Grower mehrere Patienten versorgen darf – optimale Voraussetzungen für Cannabis Social Clubs.

Und damit wären wir beim Knackpunkt der ganzen Geschichte: Die Voraussetzungen müssen stimmen. Ein CSC kann insbesondere dann funktionieren, wenn der Anbau einer oder weniger Hanfpflanzen durch Privatpersonen staatlich toleriert wird, sei es zu medizinischen Zwecken, wie in den USA oder auch zu Genusszwecken wie in einigen europäischen Ländern.Der Vorstoß in den rechtlichen Graubereich besteht dann darin, dass nicht hundert Personen je eine Hanfpflanze anbauen, sondern gemeinsam hundert.

Die Polizei steht so einer Grow‐Gemeinschaft mit einem stattlichen kleinen Feld oder einem Raum voller Pflanzen gegenüber. So kann ein zusätzlicher Freiraum geschaffen werden, den es vorher nicht gab. Aktivisten in Spanien haben es geschafft. Nach jahre-langen Rechtsstreitigkeiten, Verhaftungen und Beschlagnahmungen haben die obersten Gerichte von Katalonien und des Baskenlandes entschieden, dass die beiden dort entstandenen Cannabis Social Clubs keine kriminellen Vereinigungen sind und nicht gegen Gesetze verstoßen haben. Dem Club „Pannagh“ wurde daraufhin das in 2005 beschlagnahmte Marihuana in 2007 zurückgegeben. Ein beispielloser Vorgang in der spanischen Geschichte.

Seitdem können zumindest zwei Cannabis Social Clubs in Spanien unbehelligt ihre Mitglieder versorgen. Laut Joep Oomen, dem Koordinator des europäischen Netzwerkes ENCOD, gibt es mittlerweile sogar etwa sieben CSCs in Spanien, zwei davon außerhalb Kataloniens und des Baskenlandes. Allerdings gibt es bei diesen neuen Clubs wohl hin und wieder Ärger. Die Zeit der Razzien ist auch für spanische CSCs noch nicht vorbei.

Dennoch: bei „Pannagh“ in Bilbao und „Ganjazz“ bei San Sebastián im Baskenland kann man das Urmodell des Cannabis Social Clubs live und legal besichtigen. Im Internet finden sich einige interessante Details über die Vereine (Stand 2007). Bei „Pannagh“ bekommen Spaß‐Kiffer bis zu einem Gramm Gras pro Tag, während Patienten bis zu drei Gramm erhalten. Patienten bezahlen drei Euro, die anderen 4 Euro pro Gramm. Der Verein hatte vor zwei Jahren 70 Mitglieder. „Ganjazz“ hatte demnach die Zahl der Mitglieder auf 200 limitiert. Spätestens seit der offiziellen Legalisierung zweier CSCs in Spanien durch die Gerichte ist dieses Vereinsmodell in der europäischen Cannabisszene in aller Munde. In etlichen Ländern gibt es Bestrebungen, solche Clubs zu etablieren.

Vor allem der belgische Verein „Trekt Uw Plant“ sorgte für Schlagzeilen. Schon 2006 machten Aktivisten um Joep Oomen den ersten Versuch, gemein-sam Cannabis anzubauen. Die bei einer öffentlichen Aktion frisch eingepflanzten Setzlinge wurden jedoch sofort beschlagnahmt und die Aktivisten kurzzeitig auf rabiate Weise verhaftet, obwohl der Anbau einer Hanfpflanze pro Person seit 2005 in Belgien geduldet wird. Die Gerichte waren gnädiger als die Polizei, sie erurteilten die Beteiligten zunächst zu einem Bußgeld von 15 Euro, das Berufungsgericht hielt gar nur eine mündliche Verwarnung für angemessen.

2008 pflanzten die Vereinsmitglieder erneut in einer öffentlichen Aktion Hanfsamen ein – und bekamen wieder Ärger. Diesmal wurde der Vorsitzende des Vereins zu einer Geldstrafe und Sozialstunden verurteilt wegen „Verharmlosung des Drogenkonsums“. Wieder wurde die Legalität des Vereins an sich nicht in Frage gestellt, so dass der Kampf der Belgier für den kollektiven Hanfanbau weiter geht. Auf öffentliche Pflanzaktionen verzichtet der Verein aber seitdem, um zunächst das Verfahren wegen der „Verharmlosung“ abzuschließen.

Neben Spanien und Belgien sind die Niederlande das einzige europäische Land, in dem der Anbau von Hanf für den privaten Gebrauch geduldet wird. Hier scheint die Hanfszene aber wenig Interesse an CSCs zu haben. Wer nicht selbst anbaut, kann sein Gras oder Hasch einfach im Fachgeschäft um die Ecke kaufen. Der Graubereich, um den es sich in Holland zu kämpfen lohnt, beginnt erst bei den „Kilos“ an den Hintertüren der Coffee‐Shops. Als weiterer heißer Kandidat für Cannabis Social Clubs wird Anfang 2010 Tschechien hinzustoßen. Ab dann werden Hanffreunde auch dort unbehelligt ihr Pflänzchen hegen und pflegen dürfen.

Laut ENCOD gibt es einige weitere Länder in Europa, in denen Aktivsten am Konzept CSC feilen – auch in Deutschland. Bei uns ist es aber leider so, dass es den Graubereich gar nicht gibt, in den ein CSC vorstoßen könnte. Es kann keine Rede davon sein, dass der Anbau einer Hanfpflanze in Privathand geduldet wird. Jeder noch so kleine Setzling und sogar Nutzhanfpflanzen werden gnadenlos verfolgt. Hinzu kommt, dass ein solcher Verein nach deutschem Recht als „kriminelle Vereinigung“ betrachtet werden dürfte, was die Strafen weit über das normale Maß für den „kleinen Grower“ hinaus verschärfen dürfte.

Natürlich dürfte es dessen ungeachtet auch jetzt schon ähnliche Gemeinschaften von Growern geben, die sich mit der üblichen Heimlichkeit gemeinsam um ihre Pflanzen kümmern. Das ganze offen und als Verein zu betreiben, hätte hierzulande – anders als in Spanien und Belgien keine Chance auf eine Genehmigung durch die Gerichte. Hier könnte ein solcher Prozess höchstens dazu dienen, das Thema in die Öffentlichkeit und die Medien zu bringen und so die Diskussion darüber anzuregen. Dafür müssten die Pioniere aber empfindliche Strafen in Kauf nehmen. Eine weitere Möglichkeit wäre, mit einem solchen Verein zunächst nur für andere rechtliche Rahmenbedingungen einzutreten, damit das Konzept eines legalen CSC überhaupt erst möglich wird – sprich: der Anbau wenigstens einer Hanfpflanze pro Person müsste

geduldet werden. Das tun der Deutsche Hanf Verband und andere Initiativen zwar auch, aber ein CSC Deutschland könnte sich zusätzlich als Anbau‐Verein in Wartestellung präsentieren. Aktivisten um das Berliner Hanfmuseum haben als „Cannabis Social Club i. G.“ bereits eine Internetseite mit Informationen und ersten Aktionen online gebracht: www.cannabis‐clubs.de.

Bisher sind CSCs in Deutschland also eher ein theoretisches Konstrukt und Zukunftsmusik. Allerdings ist es auch eine sympathische Vision, dass irgendwann nach der (wann auch immer) bevorstehenden Cannabislegalisierung, der Cannabisanbau nicht nur durch große Konzerne, sondern auch durch kleine Kooperativen organisiert wird. Der Gedanke, dass Cannabis Social Clubs zukünftig neben Big Playern, Klein‐ und mittelständischen Betrieben, privaten Growern und Importeuren eine Rolle bei der Versorgung deutscher Kiffer spielen werden, ist jedenfalls realistisch. Über die Marktanteile wird die Nachfrage und damit der Konsument entscheiden.

Aus: 9. internationale Akzept Kongress Frankfurt 25./26.9.2009, Seiten 122-127

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert